Ein komischer Text

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25. August 2009 von ostprobe

Neulich im Hostelzimmer habe ich erfahren, dass ich mich in der dritten Phase eines Kulturschocks befinde. Zwei Journalistikstudenten der Universität Bremen teilten mit mir von Doppelstockbett zu Doppelstockbett, was sie in einem ihrer Seminare gelernt hatten: nämlich, dass man als Reisender in der Ferne alles erst ganz toll findet (weil alles so exotisch und aufregend ist), dann alles ganz doof (weil alles so anders und nervig ist) und kurz vor der Rückkehr wieder alles ganz toll (weil immer noch besser als der Nervkram zuhause).

Der treue Leser hat meinen Stadienwandel eventuell daran bemerkt, dass die Texte sich von syrischen Wüstenlobpreisungen zu feministischen Polemiken gegen den arabischen Mann hin entwickelt haben. Mir selbst wird es aber vor allem dadurch offenbar, dass ich überhaupt keine Lust verspüre, meine wertvolle Resturlaubszeit mit Notizen machen und Texte schreiben zu verdaddeln.
Stattdessen möchte ich in den Gassen und Welten Jerusalems verloren gehen und anhand der Kleidung der Passanten die vorherrschende Religion erraten. Oder abends koscher Sushi essen gehen und in alternativen Clubs unkoscher zu Livemusik tanzen. Oder weiterhin meinen mit Wundmalen und Insektenstichen gequälten Körper am Toten Meer mit Mineralschlamm einpacken, der dann bei 48 Grad in Sekundenschnelle in einem Naturpanzer steckt. Ich könnte auch noch einmal meine Seele reinwaschen im See Genezareth, dort wo Jesus Brot und Fische vermehrt hat. Sünden zum Reinwaschen haette ich genug, zum Beispiel den Schlafsack an einem weichen Seestrand ausgerollt zu haben oder unzählbar viele Flüche in den Himmel geschickt zu haben ob der Hitze und den schlimme Schuhen, die eine zweitägige Radtour um den See zur echten Belastungsprobe machen. Ich könnte mir aber auch die Bahai-Gärten von Haifa anschauen, die wie der prächtigste botanische Größenwahn eines absolutistischen Herrschers aussehen, nur in Senkrecht-an-den-Berg-gebaut.
Ich könnte, nein ich werde jetzt einfach aufhören in Konjunktiven über die nähere Vergangenheit zu sentimentalisieren. Noch ist Phase 3!

3 Kommentare zu “Ein komischer Text

  1. staun&wunder sagt:

    es ist doch beruhigend zu wissen, daß man von Zeit zu Zeit immer mal von “ gut ausgebildeten Fachleuten“ gesagt bekommt, wie es um einen so steht.

    Was macht Ihr nur ohne diese?

    Bilder sind beeindruckend, warte schon auf Originale!

    good landing

  2. berghaus sagt:

    Ach, Greta, so schön-spannend-unterhaltend-und-viel-mehr das alles zu lesen. Hoffe, dass du gut in Ilmenau, Leipzig, Berlin oder einem anderen schönen Ort angekommen bist und jetzt statt Phasen Erinnerungen hervorholst, wenn es denn dann mal sein muss.

  3. provinzkind sagt:

    Wow! Geflasht von diesem Kompliment einer sehr talentierten Schreiberin, das ich sehr gerne und sehr aufrichtig zurückgebe. Finde hier auch immer wieder Spannendes und Erlesenes. Dass Du meine Einträge allerdings schon doppelt lesen musst, zeigt mir, dass ich viel mehr schreiben muss 😉 Wird bald der Fall sein, denn das Provinzkind fliegt in die große weite Welt, nämlich nach Afrika. Dazu aber bald mehr. Bis bald, hoffe wir lesen und sehen uns vielleicht auch mal. Liebe Grüße. Ulli

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